Kurz zusammengefasst: Innenbeschichtungen von Trinkwasserleitungen mit Epoxidharz können Bisphenol A (BPA) ins Warmwasser freisetzen. Seit 12.01.2024 gilt in Deutschland ein BPA-Grenzwert von 2,50 µg/L im Trinkwasser. Gerichtsurteile und Behörden raten zur klassischen Rohrerneuerung als sichere Lösung.
Key Facts
- BPA-Grenzwert (TrinkwV): 2,50 µg/L – in Deutschland gültig seit 12.01.2024
- EFSA-TDI (2023): 0,20 ng/kg KG/Tag (gegenüber 4 µg/kg um den Faktor 20.000 verschärft)
- Warmwasser besonders betroffen: Untersuchungen fanden kritische BPA-Konzentrationen bis 211,00 µg/L im Warmwasser; 87 % der Warmwasserproben lagen über 2,50 µg/L
- Rechtlicher Status Epoxidharz-Beschichtung: Mehrere Urteile bewerten die Methode als nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprechend (2014/2015)
- KTW-BWGL: Seit 21.03.2021 rechtsverbindlich – trinkwasserhygienische Eignung von Beschichtungen muss nachgewiesen sein
Regeln & Grenzwerte (Überblick)
Regel / Quelle | Wert / Kernaussage |
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Trinkwasserverordnung (DE) | Parameterwert BPA = 2,50 µg/L, gültig ab 12.01.2024 |
EFSA (2023) | Tolerable Daily Intake 0,20 ng/kg KG/Tag |
KTW-BWGL | verbindlich seit 21.03.2021; Beschichtungen nur mit Eignungsnachweis |
Gerichtliche Bewertung | Innenbeschichtung mit Epoxidharz nicht Stand der Technik |
Messpunkt | Ergebnis |
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Warmwasser (Objekte mit Epoxidharz) | bis 211,00 µg/L BPA nachgewiesen |
Anteil Überschreitungen | 87 % der Warmwasserproben über 2,50 µg/L |
Kaltwasser | in den genannten Untersuchungen unauffällig |
Erläuterung: 1 µg/L = 1 Mikrogramm pro Liter; 1 ng/kg = 1 Nanogramm pro Kilogramm.
Fallbeispiel: Oftersheim (SWR „Marktcheck”)
- Mehrparteienhaus (54 Einheiten) – Epoxidharz-Innensanierung vor ca. 15 Jahren
- Behördliche Anordnung: Kompletter Austausch der Wasserinstallation wegen erhöhter BPA-Werte im Warmwasser
- Kosten: mehrere Zehntausend Euro pro Wohnung; in einem dokumentierten Einzelfall > 70.000,00 € (Sanierung inkl. Bad)
Warum gerade Warmwasser?
Epoxidharze können bei höheren Temperaturen degradieren; dabei können Komponenten wie BPA ins Wasser übergehen. Untersuchungen amtlicher Stellen zeigten systematisch höhere Werte im Warmwasser, während Kaltwasser oft unauffällig blieb.
Konkrete Empfehlungen für Eigentümer & Bauherren
Do – das ist jetzt sinnvoll
- Dokumente prüfen: Wurden Leitungen jemals mit Epoxidharz beschichtet? Rechnungen/Protokolle sichten
- Analytik veranlassen: Warm- und Kaltwasser auf BPA durch ein anerkanntes Labor prüfen lassen
- Behörde einbinden: Bei Überschreitung des 2,50 µg/L-Werts Gesundheitsamt informieren
- Sichere Lösung: Klassischer Rohrtausch (Erneuerung) statt Innenbeschichtung
- Zwischenzeitlich: Nur Kaltwasser zum Trinken/Kochen verwenden, dann frisch erhitzen
Don’t – vermeiden
- Keine erneute Epoxidharz-Beschichtung in Trinkwasserleitungen beauftragen
- Warmwasser nicht trinken oder zum Kochen verwenden
- Keine thermischen Desinfektionen (≥ 70 °C) ohne fachliche Prüfung
Recht & Umsetzung (praxisnah)
- Grenzwerte gelten auch für Warmwasser: Überschreitungen des BPA-Parameterwerts (2,50 µg/L) sind zu beheben
- Inbetriebnahme nur mit Nachweis: Beschichtungen im Kontakt mit Trinkwasser benötigen KTW-BWGL-Konformität
- Bei Mietobjekten: Bei Überschreitungen besteht Abhilfepflicht des Vermieters; Mieter können Minderung/Abhilfe verlangen
- Technikrechtlich: Gerichtsentscheidungen stützen die Einschätzung, dass Epoxidharz-Innenbeschichtungen nicht den a.a.R.d.T. entsprechen
Alternativen zur Innenbeschichtung
- Rohrerneuerung (Metall/Mehrschichtverbund/Kunststoff): Dauerhafte, hygienisch sichere Lösung; Planung mit Materialliste gemäß KTW-BWGL
- Teilweiser Austausch: Priorisierung stark belasteter Stränge; Übergangslösungen sauber dokumentieren
- Temporäre Schutzmaßnahmen: Trinkwassernutzung über Kaltwasser, Filter nur nach fachlicher Bewertung (nicht als Ersatz für Sanierung)
Quellen & weiterführende Informationen
- Video: SWR Marktcheck: „Bisphenol A im Wasser nach Rohr-Sanierung mit Epoxidharz” (14.11.2023)
- Behörde: EFSA-Gutachten 2023 (TDI 0,20 ng/kg KG/Tag): EFSA Journal
- Recht: IKZ-Bericht mit Urteilen (LG Mannheim 2014; LG Frankfurt/Main 2015): IKZ
- Grenzwert: DE-Trinkwasserverordnung – BPA 2,50 µg/L (seit 12.01.2024): MLR Baden-Württemberg
- KTW-BWGL: UBA-FAQ Rohrinnensanierung: UBA-Information (03/2022)
- Behörde: UBA – Bewertungsgrundlagen/Leitlinien (KTW-BWGL verbindlich seit 21.03.2021): UBA
- Verbraucher: Stiftung Warentest – Warmwasser kritisch, bis 211,00 µg/L, 87 % über Grenzwert: test.de (27.09.2023)
- Amt: Umweltverwaltung BW – Befundübersicht (bis 211,00 µg/L): UA-BW (07/2023)
- Hintergrund: BUND – BPA in Trinkwasserleitungen / Epoxidharz: BUND
- Presse: Oftersheim-Bericht (Kosten, Maßnahmen): Schwetzinger Zeitung (13.11.2023)
Hinweis: Es existiert wissenschaftliche Diskussion zur Höhe der EFSA-TDI. Maßgeblich für Praxis und Behördenarbeit bleiben jedoch die Trinkwasserverordnung sowie nationale/UBA-Vorgaben.